Pflegekind
Es kommt immer wieder vor, dass Kinder
von ihren leiblichen Eltern temporär oder dauerhaft nicht betreut
werden können. Das hat verschiedene Gründe und muss nicht weiter
thematisiert werden. Fakt ist aber, dass Kinder ein Recht auf eine
sichere, geordnete und liebevolle Umgebung haben, in denen sie
gefördert werden. Diese Kinder in Pflegefamilien unterzubringen, ist
oft die einzige Möglichkeit, um dieses Recht zu gewährleisten.
Einige Ereignisse der letzten Jahre
haben jedoch gezeigt, dass – trotz Betreuung durch die Jugendämter
– erhebliche Missstände auftreten. Die traurigen Meldungen, die
wir aus der Presse kennen, sind vermutlich nur die Spitze des
Eisberges. Um so verständlicher (und wünschenswert), dass die in
die Kritik geratenen Jugendämter sensibilisiert worden sind, und
stärkere Überprüfungen der potentiellen Pflegefamilie durchführen.
Manchmal wird ein Kind in eine
Pflegefamilie innerhalb der Verwandtschaft gegeben. Auch das ist
wünschenswert, wenn die Alternative beispielsweise ein
Heimaufenthalt wäre. Verwandte sind dem Kind in der Regel bekannt
und vertraut, so dass eine Eingliederung wesentlich stressfreier
geschehen kann. Es ist ebenso selbstverständlich, dass auch
Verwandte intensiv auf Tauglichkeit für die neue Aufgabe überprüft
werden. Beispielsweise wird – wie bei allen potentiellen
Pflegeeltern – ein „Erweitertes Führungszeugnis“ gefordert,
eine intensive Untersuchung durch das Gesundheitsamt (inkl.
Drogenscreening) durchgeführt, ein umfassender Fragebogen
ausgewertet, sowie eine persönliche Einschätzung des zuständigen
Sachbearbeiters gemacht.
So ist es uns auch geschehen.
Ich habe Fragen über Vorerkrankungen
beantwortet, und ob ich es wirklich gut finde, so ganz überraschend
ein Kind in meinem Haushalt aufnehmen zu müssen. Ich wurde von Kopf
bis Fuß abgetastet und habe artig angegeben, ob mir hier oder
dort etwas weh tut. Ich bin in Unterwäsche auf Spitzen und Hacken
vor der Amtsärztin umhergewandert, habe bewiesen, dass ich mit den
Händen auf den Boden komme, wenn ich mich im Stehen herunter beuge,
gezeigt, dass meine Gelenke funktionieren, dass ich kein Übergewicht
habe. Ja, ich bin 48 und fühl' mich jung! Über manche der
geforderten Übungen konnte man sich wundern, zumindest habe ich
erfahren, dass ich fit wie eine 30jährige bin. Das ist doch schon
mal etwas.
Das „Erweiterte Führungszeugnis“
war wie erwartet ohne Eintrag.
Wir haben wahrheitsgemäß bestätigt,
dass wir mit dem Kind kulturelle und brauchtümliche Events besuchen
werden, es vor Missbrauch und Misshandlungen schützen können, es in
weltanschaulichen Fragen nicht in einen Kulturschock stürzen,
soziale Kontakte unterstützen werden – kurz: Herr Fadentanz und
ich konnten glaubhaft machen, dass wir dem Kind nichts Übles wollen,
es fördern können und alles daran setzen, es zu einem
selbstbestimmten Erwachsenen zu erziehen.
Wir wurden als geeignet befunden und
sind seit ca. drei Monaten nun um ein Familienmitglied reicher.
Und sie lebten glücklich und zufrieden
bis zur Mündigkeit des Kindes oder bis zur Rückführung in die
Obhut der leiblichen Mutter...
… das wäre schön, oder? Doch wo es
im Märchen aufhört, beginnt es im realen Leben.
Da gibt es die Begriffe
„Vollzeitpflege“ und „Verwandtschaftspflege“. Auf unsere
Fragen hin, was der Unterschied ist, „lernten“ wir vom
Sachbearbeiter, dass Vollzeitpflege bis zur Mündigkeit des Kindes
andauert, Verwandtschaftspflege aber durchaus eine temporäre
Angelegenheit ist, bis die leibliche Mutter wieder selber für ihr
Kind sorgen kann. Prima, dachten wir. Weil wir nämlich das Letztere
hoffen, entscheiden wir uns doch einfach für die
Verwandtschaftspflege.
Große Begeisterung und Engagement von
Seiten des Jugendamtes.
Jeder weiß nun, dass es für das
Kindeswohl durchaus auch förderlich ist, es finanziell unterstützen
zu können. Das macht man in der Familie sowieso gerne und ohne große
Diskussion. Wenn man es sich leisten kann. Wenn die zur Verfügung
stehenden Einkünfte aber gerade so eben für zwei Leute reichen,
wird es zum Problem, wenn eine dritte Person hinzu kommt. Gerade
dann, wenn es sich um ein Kind handelt. Bin eigentlich nur ich (und
die anderen, die ein Kind betreuen) der Ansicht - im
Gegensatz zur Meinung von gut verdienenden Politikern -, dass ein Kind sogar mehr
Bedarf an finanziellen Mitteln hat als ein Erwachsener?
Kein Problem, meinte der
Sachbearbeiter. Es gibt Pflegegeld. Kurz ergoogelt, wie viel das ist.
In NRW beträgt der Pflegesatz für Kinder bis zum vollendeten 6.
Lebensjahres 677 € monatlich, das Kindergeld wird hälftig
angerechnet, eine winzige Aufwandsentschädigung für die
Pflegeeltern inklusive.
Der Bescheid kam in Form von … (an
dieser Stelle ist ein Tusch angebracht) … Sozialhilfe in Höhe von
105 € monatlich zzgl. Kindergeld. Damit ist das Kind ein Sozialfall
geworden.
Trotz eindeutiger Gesetzeslage und
entsprechenden Urteilen wird von den Städten ein Unterschied gemacht
bei Verwandtschaftspflege und Vollzeitpflege.
Weil: Omma und Oppa machen das schon
und vor allem gerne. Sind ja Omma und Oppa.
Und jeder weiß ja
nun, dass Oma und Opa Butter aufs Brot, Schuhe, Kleidung,
Spielsachen, Pommes und Eis bei Zoobesuchen, Sportvereinsbeiträge,
Karnevalskostüme und diese ganzen anderen kleinen nutzlosen
Dinge, die ein Kinderleben unbeschwert machen können, auf magische
Weise aus Luft und Liebe herstellen können.
Denn natürlich bedeutet es eine
immense Spanne, 105 € im Monat an Sozialhilfe zu zahlen als den Anspruch auf
Pflegegeld einzuräumen, der aktuell auf einen Betrag bis 857 € für
das 14.-18. Lebensjahr anwächst.
Beim Geld hört halt die behördliche Sorge um das
Wohlergehen des Kindes auf.
Ja, mir ist es bekannt, dass viele
Kinder in Deutschland von einem Betrag leben müssen, die dem
Gesetzgeber die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste, wenn er
nicht zu sehr damit beschäftigt wäre, Diäten für seine Kumpels zu
sichern.
Leben diese Kinder aber gut? Ist es
würdevoll für eine Familie, um jeden Zuschuss für Kleidung,
Bildung oder Ausflüge betteln zu müssen? Und deshalb ist es wieder
einmal so, dass nichts ohne einen Anwalt und vermutlich eine Klage
läuft.
Ich gründe demnächst eine Bank. Damit
kann ich mich dann regelmäßig auf Staatskosten (von euren
Steuergeldern) sanieren lassen.
"Ist nicht wahr, oder?" möchte man hier eigentlich fragen, wenn man es nicht selbst längst besser wüsste, nämlich, dass es leider wahr ist. Und so bestätigt sich wieder mal, dass Engagement hierzulande eher bestraft wird. Von belohnen wollen wir mal gar nicht reden, denn es geht ja "nur" um die normalen anteiliegen Unterhaltskosten für ein Kind.
AntwortenLöschenIch drück Euch alle Daumen, dass es für Euch alle ein gutes Ende finden möge, denn für Eure Entscheidung kann ich Euch nur bewundern!
Alles Liebe und viel Erfolg im Ämterkampf
Regina
Jo habe ich auch so erlebt. Mein Neffe kam mit 15 Jahren ( 2011 ) zu mir. Ich alleinerziehend ( zwar Vollzeitjob = trotzdem eng) mit zwei eig Kids, musste zusehen wie ichs mache mit Kleidung und Zimmer einrichten. Keine einmaligen Beihilfen und erst nach 3 Monaten gab es Kindergeld. Nach 14 Monaten kam dann zusätzlich ALG II für Ihn dazu.
AntwortenLöschenNu ist er fast 19. Wird auch weiterhin bei uns bleiben. das Jugendamt hat uns im regen stehen lassen. Zum Wohle des Kindes sieht anders aus.
Wünsche euch alles Gute.